Hygroskopie durch aktiv geregelte
Luftfeuchte stabilisieren
Liebe Leserinnen, Liebe Leser,
das Phänomen der Hygroskopie ist uns allen schon im Alltag begegnet: Knusprige Kekse und Salzstangen werden weich, wenn man sie längere Zeit an der Luft liegen lässt, Papier wellt sich, wenn man es im feuchten Keller lagert.
Sie alle haben hygroskopische Inhaltsstoffe. Der Zucker in den Keksen, das Salz auf den Salzstangen und die Zellulose im Papier ziehen Wasser an und binden es – insbesondere die Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf aus der Umgebungsluft.
Dieser Vorgang kann über Adsorption oder Absorption erfolgen. Wenn Wasser adsorbiert wird, verbleiben die Wassermoleküle auf der Oberfläche der hygroskopischen Substanz, während sie bei der Absorption zwischen deren Molekülen eingebunden werden.
Bei der Absorption von Wassermolekülen verändern hygroskopische Stoffe oft ihre Konsistenz: Sie verklumpen, quellen auf, werden nachgiebig oder zerfließen sogar. Sie sind aber nicht zwingend wasserlöslich. Auch physikalische Eigenschaften wie der Siedepunkt können sich ändern. Entzieht man hygroskopischen Stoffen das Wasser, lassen sie sich meist wieder in den Ausgangszustand vor der Wasseraufnahme zurückversetzen.
Die hygroskopische Aktivität unterscheidet sich von der Kapillarwirkung, bei der auch Wasser aufgenommen wird. Dabei findet jedoch keine Absorption statt, die Stoffe verändern sich nicht. Das Funktionsprinzip hinter der Kapillarwirkung: Sind Hohlräume eng genug, überwiegt darin die Kapillarkraft gegenüber der Schwerkraft und verhilft Flüssigkeiten dazu, gegen die Gravitation nach oben zu steigen – etwa im Fall von Feuchtigkeit in porösem Mauerwerk.
Hygroskopische Eigenschaften von Verbundwerkstoffen
Die von hygroskopischen Materialien gehaltene Feuchtigkeitsmenge ist normalerweise proportional zur relativen Luftfeuchtigkeit. Ändert sich diese, reagieren hygroskopische Stoffe, indem sie bei steigender Luftfeuchtigkeit mehr Wasser binden oder dieses an trockenere Luft abgeben - so lange, bis der Wasserdampfpartialdruck im Material und in der Umgebung ausgeglichen ist und sich die sogenannte Gleichgewichtsfeuchte eingestellt hat.
Weisen Materialien unterschiedliche hygroskopische Eigenschaften auf, kann dies bei Verbundwerkstoffen zu Spannungen und nachteiligen Effekten führen. An Büchern mit kunststofflaminiertem Umschlag lässt sich das gut beobachten: Bei hoher Luftfeuchtigkeit verformt sich der Buchumschlag. Die nicht laminierte Seite der Abdeckung nimmt mehr Feuchtigkeit auf als die laminierte Seite und dehnt sich aus, wodurch Spannung verursacht wird. Die Abdeckung verbiegt sich zur laminierten Seite hin.
Herausforderungen durch Hygroskopie in der Produktion und Lagerung
In jeder verarbeitenden Industrie, wo hygroskopische Stoffe zum Einsatz kommen, ist eine geregelte relative Luftfeuchtigkeit ein entscheidender Faktor. Ansonsten können stark hygroskopische Eigenschaften einzelner Substanzen zu Schwierigkeiten in der Produktion führen und Haltbarkeit oder Lagerfähigkeit von Rohstoffen beeinträchtigen. Besonders betroffen sind die Lebensmittel- und Pharmaproduktion, die Holz- und Papierverarbeitung sowie die chemische Industrie.
Verklumpt zum Beispiel hygroskopisches Schüttgut aufgrund hoher Luftfeuchtigkeit, kann es Förderwege verstopfen und den Produktionsfluss empfindlich stören. Auch viele Kunststoffe enthalten hygroskopische Füll- und Verstärkungsstoffe, die ihr Volumen vergrößern, sodass sie nicht mehr exakt abgemessen werden können. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von über 60 Prozent verlieren Papier- und Kartonverpackungen ihre Stabilität. Andere Produkte werden unbrauchbar, wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter einen kritischen Punkt fällt.
Geregelte Raumluftfeuchten in der Lebensmittelindustrie
Eine Voraussetzung für störungsfreie Produktionsprozesse in der Lebensmittelindustrie sind konstante, eng begrenzte Raumtemperaturen und Raumluftfeuchten. Diese werden aber aufgrund von Einträgen durch warme, feuchte Außenluft im Sommer oder kalter, trockener Winterluft sowie durch die Feuchteabgabe von Personen und Produkten ständig beeinträchtigt. Eine aktiv geregelte Raumluftbe- und -entfeuchtung ist deshalb essenziell.
Während beispielsweise Mehl bei der Aufnahme von Feuchtigkeit rasch Klumpen bildet, reagiert Zucker chemisch mit Wasser und bildet dabei guss- oder karamellartige Konsistenzen, die ihn für eine Weiterverarbeitung unbrauchbar machen können.
Eine genaue Regelung der Luftfeuchtigkeit ermöglicht es darüber hinaus hygroskopischen Produkten wie Käse oder Parmaschinken mit der gewünschten Geschwindigkeit zu reifen. Die entsprechenden Werte sind von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich.
So ist für die meisten Käsesorten eine relative Luftfeuchtigkeit von 80 bis 95 Prozent
bei 7°C bis 15°C optimal. Parmaschinken lagert am besten bei einer durchschnittlichen relativen Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent und einer Temperatur von 1°C bis 5°C.
Lagerung von Holz für die Bau-, Instrumente- und Möbelindustrie
Frisch geschlagenes Holz hat je nach Baumart einen Wassergehalt von 50 Prozent und mehr. Vor dem Einsatz in Möbelwerkstätten, im Instrumentenbau oder im Bauwesen muss es über Ablagerung oder Trockenkammer in einen Feuchtezustand gebracht werden, der möglichst genau dem Klima entspricht, dem die fertigen Erzeugnisse später ausgesetzt sind. Es muss also ein Gleichgewicht erreicht werden, bei dem die natürlichen hygroskopischen Eigenschaften des Materials austariert sind, sodass es kaum mehr aufquillt oder schwindet und seine Form weitestgehend behält.
Da die relative Luftfeuchtigkeit je nach Jahreszeit schwankt, ist eine aktiv geregelte Luftbe- und -entfeuchtung im Holzlager die entscheidende Stellschraube für eine gleichbleibende Holzqualität. Denn je nach Verarbeitung dürfen bestimmte Holzfeuchtewerte nicht überschritten werden. Für die Lagerung von Möbelhölzern bedeutet das zum Beispiel, dass die relative Luftfeuchte unter 43 Prozent liegen muss, damit die Holzfeuchte bei den benötigten neun Prozent bleibt. Bauholz erlaubt eine Holzfeuchte von 18 bis 20 Prozent.
Die optimale relative Luftfeuchtigkeit bei der Holzverarbeitung liegt in der Regel bei 50 bis 60 Prozent. Im Winter ist dies nur mittels einer kontinuierlichen Luftbefeuchtung zu erreichen. Ist die relative Luftfeuchte zu niedrig, kann dies zu Verformungen, Rissen und abgeplatzten Furnieren führen, die das Holzprodukt wertlos machen.
Hygroskopie – eine Herausforderung für Druckereien
Insbesondere Papier ist stark hygroskopisch und reagiert daher empfindlich auf Schwankungen im Raumklima. Das stellt Druckereien vor Herausforderungen: Feuchte Papierbögen beulen aus und die Kanten verziehen sich. Die welligen Bögen beeinträchtigen die technischen Abläufe, Farben decken nicht, die Blätter laufen nicht mehr einwandfrei durch die Druckwalzen.
Ist die Luft zu trocken, neigen die Bögen zu elektrostatischer Aufladung und bilden Falten. Die Bögen haften aneinander, es kommt zu Doppeleinzügen und zu Störungen im Druckprozess – Stehzeiten und Betriebsausfälle sind die Folge.
Fazit: Eine aktiv geregelte Luftfeuchte im Raum ist unabdingbar für die korrekte Lagerung, Verarbeitung und Verpackung von hygroskopischen Produkten, Materialien und Rohstoffen.
Mit freundlichen Grüßen