Magazin Luftfeuchte 2024 Oktober 01

Autor:
Arthur Jäger

Optimale Luftentfeuchtung in der
Pharma- und Lebensmittelindustrie


Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,

Bei der Produktion von Medikamenten und Lebensmitteln spielt die präzise Kontrolle der Luftfeuchtigkeit in der Produktionsumgebung eine wesentliche Rolle. Was häufig nur wenig Beachtung findet:
Die anwendungsspezifische Konditionierung der Luft erfordert oft einen hohen Energieeinsatz.
Doch es gibt Lösungen, mit deren Hilfe Energie- und Betriebskosten eingespart werden können.

Aufgequollene Brausetabletten, Schimmel, Bakterienkontaminationen oder blockierte Förderanlagen Feuchtigkeit kann nicht nur Produktionsprozesse empfindlich stören, sondern auch Produkte schädigen. In der Arzneimittelherstellung sind vor allem hygienische Beeinträchtigungen ein absolutes No-Go. Aber auch die Produkteigenschaften werden wesentlich von der Luftfeuchtigkeit in der Produktionsumgebung bestimmt. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit kann dazu führen, dass Tabletten miteinander verkleben oder sich auflösen, Maschinen korrodieren oder Pulver in Förderleitungen haften bleiben. Allerdings kann auch zu trockene Luft zum Problem werden neben statischen Aufladungen kann es dann zur Bildung
von Stäuben oder brüchigen Tabletten kommen.

Doch nicht nur die Produkte unterliegen dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit. Kondensiert die in der Umgebungsluft enthaltene Feuchtigkeit an Maschinen und Oberflächen, kann es zu Korrosion und zur Bildung von Biofilmen kommen. In Tiefkühllagern, wie sie in der Lebensmittelindustrie, aber auch in der pharmazeutischen Industrie üblich sind, kann anfallendes Kondensat gefrieren und dadurch nicht nur den Betrieb von Maschinen beeinträchtigen, sondern auch ein Sicherheitsproblem für die Beschäftigten darstellen, wenn sich auf Betriebsflächen und Laufwegen Eis bildet. Allesamt Gründe, weshalb an der Kontrolle der Raumluftfeuchte kein Weg vorbeiführt.


Das optimale Trocknungsverfahren wählen

Jedes Luftentfeuchtungsverfahren besitzt Vor- und Nachteile. Mit steigenden Energiepreisen und einem gestiegenen Umweltbewusstsein rückt inzwischen der spezifische Energiebedarf der jeweiligen Lösungsalternativen stärker in den Fokus. Denn die Kontrolle der Raumluftfeuchte stellt durchaus ein anspruchsvolles Unterfangen dar. Was Planer und Betreiber solcher Anlagen häufig unterschätzen, ist die Tatsache, dass die Betriebskosten dabei um ein Vielfaches höher sind, als die Investitionskosten. Über eine Laufzeit von zehn Jahren bestimmen die Betriebskosten häufig 80 bis 90 Prozent der Gesamtkosten. Und spätestens hier lohnt sich der Blick auf die technischen Möglichkeiten.

Ein, abhängig von den geforderten Raumluftkonditionen energetisch vorteilhaftes Verfahren zur Luftentfeuchtung basiert auf der Kondensationstechnologie mittels eines Kältekreises: Über einen Ventilator wird zu entfeuchtende Raumluft ins Gerät gesaugt. Flüssiges Kältemittel verdampft in einem Wärmetauscher und entzieht dabei der Luft Wärme. Wenn dabei die Verdampfungstemperatur unter dem Taupunkt der Luft liegt, kondensiert ein Teil der Feuchtigkeit am Wärmetauscher aus. Die entfeuchtete, kühle Luft wird anschließend durch den Kondensatorwärmetauscher des Kältekreislaufes geleitet und erwärmt, gleichzeitig wird dabei das verdampfte Kältemittel wieder verflüssigt.
Das dank Wärmepumpeneffekt effiziente Verfahren hat allerdings seine Grenzen: Es handelt sich primär um eine Raumumluftentfeuchtung, bei der nur unter optimalen Bedingungen Feuchten von < 45% rF erreicht werden können. Außerdem arbeiten diese Geräte ausschließlich im An-/Aus-Betrieb und
müssen bei niedrigeren Temperaturen regelmäßig Abtauzyklen durchlaufen.

In den oben genannten Produktionsprozessen der Arznei- und Lebensmittelproduktion wird häufig eine deutlich trockenere Luft benötigt. Und auch die Ansprüche an die gleichbleibende Qualität der Luft sind deutlich höher: 20 % relative Feuchte bei 20 °C, was einem Trockentaupunkt von -3 °C entspricht sind hierbei keine Seltenheit.

Mit sinkenden Feuchtesollwerten nimmt auch die Effizienz von Kälteanlage eines Kondensationsluftentfeuchters stark ab, bis zu dem Punkt, an dem diese nur mit einem unverhältnismäßig hohen Energieeinsatz erreicht werden könnte. Hier kommt die Adsorptionstrocknung ins Spiel: Diese nutzt die hygroskopischen Eigenschaften von Silicagel, einem titanstabilisierten Material aus Siliziumdioxid. Wassermoleküle werden an der Oberfläche des Silikagel Rotors gebunden und der durchströmenden Luft entzogen. Der Adsorptionsvorgang führt dazu, dass sich die Luft dabei erwärmt. Dieser Erwärmungsvorgang setzt sich in drei Hauptteilen zusammen: der Kondensationsenthalpie,
der Bindungsenergie und der Schleppwärme. Der Sorptionsrotor dreht sich langsam und wird kontinuierlich im Gegenstrom mit heißer Luft regeneriert, die elektrisch, per Warmwasser, Dampf oder auch mit Gasbrenner erzeugt wird – ein energieintensiver Prozess. Dazu kommt, dass die entfeuchtete Luft meist auch noch nachgekühlt werden muss, um die für den Prozess geforderten
Spezifikationen zu erreichen.


Vorkühlung ist entscheidend für die Effizienz

Um den Prozess auf Effizienz zu trimmen, lohnt sich ein Blick auf die Kühlung. Denn diese spielt nicht nur für die konditionierte behandelte Luft eine wichtige Rolle, sondern auch vor dem Sorptionsrotor. Wenn die zu entfeuchtende Luft vorgekühlt wird, steigt die relative Luftfeuchte an und im Idealfall findet bereits dort eine Vorentfeuchtung statt. Hohe relative Feuchten verbessern die Effektivität und Effizienz des Adsorptionsprozesses. Der Effizienzgewinn durch Vorkühlung kann so hoch sein, dass unter Umständen ein kleinerer Adsorptionstrockner eingesetzt werden kann. Zusätzlich ist die Vorentfeuchtung effizienter als die Sorption, da sie in den meisten Fällen über Kaltwasser erfolgt, das wie bei einem Kondensationsluftentfeuchter von einer Kälteanlage mit Wärmepumpeneffekt erzeugt wird.

Allerdings ist das effizienteste Verfahren nicht zwingend auch das kostengünstigste: Effizienz und Betriebskosten sind durchaus unterschiedliche Aspekte. Bei der Adsorptionstrocknung lohnt es sich besonders, den Regenerationsprozess und die verfügbaren thermischen Quellen vor Ort zu betrachten. Wenn beispielsweise kostenlose Abwärme oder Warmwasser aus Produktionsprozessen oder Fernwärme zum Vorwärmen der Regenerationsluft genutzt werden können, bleibt die Gesamteffizienz des Sorptionsprozesses unverändert, jedoch können die Betriebskosten signifikant gesenkt werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Regelung: Eine individuell angepasste bedarfsgerechte Regelung verhindert unnötig niedrige Feuchtewerte. Dabei wird die Regenerationsheizleistung moduliert gesteuert, und es wird nur die tatsächlich benötigte Menge im Rotor regeneriert. Um die genannten Vorteile der Vorkühlung bestmöglich zu nutzen, wird bei einem System mit Vor- und Nachkühlung empfohlen, die Kühlregister in Sequenz zu anzusteuern. Dabei wird zuerst das Vorkühlregister entsprechend der Trockenlufttemperatur aktiviert, und nur bei Bedarf wird das nötigste über das nachgeschaltete Register gekühlt.

Um das optimale Anlagenkonzept zu entwickeln, spielen viele Parameter eine Rolle. Typische Frage-stellungen, die von den Condair Experten im Rahmen von Entfeuchtungsprojekten geklärt werden, sind: Wird zentral oder dezentral entfeuchtet? Wird Abluft rezirkuliert oder soll 100 % Frischluft entfeuchtet werden? Treten Feuchte Lastspitzen auf? Ist ein Lüftungsgerät vorgeschaltet, bei dem die Luft vorkonditioniert wird? Auch der Aufstellungsort hat Einfluss auf das Anlagenkonzept meist werden
neue Systeme nachträglich in bestehende Gebäude oder Produktionsumgebungen geplant.


Kosten- und CO₂-Einsparungen in der Praxis

Ein Praxisbeispiel verdeutlicht, was durch die Optimierung möglich ist: In einem pharmazeutischen Betrieb wurde 2.000 m³/h, 32 °C unbehandelte Außenluft mit einer Feuchtebeladung von 12 g/kg auf 5,6 g/kg entfeuchtet und anschließend auf 22 °C nachgekühlt. Dies erfolgte mit einem Adsorptionstrockner, der mit 26 kW Regenerationsleistung betrieben wurde. Um die entfeuchtete Luft nach dem Sorptionsrad Solltemperatur zu kühlen, wurde zusätzlich ein Kühlregister mit 23 kW installiert. Das einfach aufgebaute System zeichnete sich durch niedrige Investitions- und Installationskosten aus, bot allerdings kaum Sicherheiten für Lastspitzen. Auf den ersten Blick ließ zudem bereits die hohe Feuchtlufttemperatur
auf einen ineffizienten Betrieb schließen.





Zur Optimierung wurde daher die Prozesskette um ein Vorkühler mit einer Leistung von 16 kW ergänzt, der die zu entfeuchtende Luft mit bauseitig verfügbarem Kaltwasser auf 15 °C vorkühlt und auf 9,6 g/kg vorentfeuchtet. Der Effizienzgewinn sorgte dafür, dass ein kleinerer Adsorptionstrockner mit einer Regenerationsleistung von 13 kW eingesetzt werden konnte. Aufgrund der Vorkühlung sinkt der Bedarf für die Nachkühlung der getrockneten Luft und konnte so auf 7,4 kW verkleinert werden. Im Endergebnis konnte durch diese Maßnahmen nicht nur die Heizleistung für die Regeneration halbiert werden, sondern auch ein deutlich besseres Trockenluftergebnis (4,6 g/kg) erreicht werden und das bei nahezu unverändertem Gesamtkühlleistungsbedarf von insgesamt 23,4 kW. Über das Vorkühlregister lassen
sich zudem sommerliche Feuchtelastspitzen abfangen. Insgesamt spart der Betreiber, allein bei der Regenerationsheizung, durch die Maßnahme bei 1.500 Volllaststunden und einem Strompreis von 0,18 Euro/kWh jährlich 3.510 Euro. Bei 381 g CO₂-Äquivalent pro Kilowattstunde (Durchschnitt in Deutschland im Jahr 2023) verbessert sich die CO₂-Bilanz durch diese Maßnahme um 7,4 Tonnen pro Jahr. Weitere Einsparpotenziale ergeben sich zudem durch eine stärkere Vorkühlung sowie die Nutzung einer Wärmerückgewinnung, bei der ein Teil der Wärmeenergie der warmen Feuchtluft für
die einströmende Regenerationsluft zurückgewonnen wird.





Fazit: Die Luftfeuchtigkeit ist ein kritischer Faktor in der Produktion von Medikamenten und Lebensmitteln. Ihre Kontrolle kann erhebliche Energiekosten verursachen. Die Wahl des Entfeuchtungsverfahrens und der optimalen Anlagenkonfiguration hängen von den spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten vor Ort ab. Effizienzsteigerungen, beispielsweise durch Vorkühlung der Luft oder Nutzung von Abwärme, können die Betriebskosten signifikant reduzieren und gleichzeitig die Umweltauswirkungen minimieren. Eine sorgfältige Planung und Optimierung der Systeme sind
daher essenziell, um Kosten zu sparen und die Nachhaltigkeit zu verbessern.


So sparen Sie Energie und Betriebskosten bei der Luftentfeuchtung

• Wenn möglich immer Kondensationsluftentfeuchter verwenden.
• Präzise und tiefe Trockenluftwerte sind oft nur mit Adsorptionstrocknung möglich.
• Bei Adsorptionstrocknern möglichst viel Kühlleistung vor dem Gerät planen und
  nur das Nötigste danach.
• Nach Möglichkeit getrocknete Luft rezirkulieren.
• Evaluieren der verfügbaren Regenerationswärmequellen und Fokus auf die kostengünstigste
  Option zu legen.
• Bei hohen Feuchtlufttemperaturen bzw. niedrigen Trockenluftfeuchten sollte
  eine Wärmerückgewinnung in Betracht gezogen werden.
• Wärmerückgewinnung eignet sich auch als Retrofit-Maßnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Arthur Jäger
Produktmanager
Condair GmbH, Garching
Pharmaindustrie
Bedeutung der Luftfeuchtigkeit
in Produktion und Lagerung

Seiten: 14
Format: Din A4

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