40 % Luftfeuchte rechnet sich
Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,
Merkmale, die für ein gutes Raumklima stehen sind Temperatur, Luftfeuchte, -qualität und -bewegung sowie der Gehalt an Emissionen im Raum und die Luftwechselrate. Die meisten davon sind sehr gut erforscht und fest in den Köpfen einer breiten Öffentlichkeit verankert. Davon bislang eher unterre-präsentiert ist die Bedeutung der relativen Luftfeuchte. Auch die einschlägigen Normen nennen hierzu keine allgemeingültigen Mindestwerte, sondern geben lediglich Empfehlungen, wenn ohnehin eine Befeuchtung vorgesehen ist. Das darf durchaus überraschen. Denn in Deutschland arbeiten etwa siebzehn Millionen Menschen in Büros. Das Raumklima, das sie dort umgibt, ist von erheblicher Bedeutung für deren Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wichtige Einflussfaktoren auf das Raumklima sind sowohl die Raumtemperatur als auch die relative Luftfeuchte (rel. F. in %), die eng miteinander verknüpft sind. Bei 40 bis 60 % rel. F. enthält Raumluft ein Minimum an Bakterien, Viren, Pilzen und Milben (Quelle: RWTH Aachen). Dadurch sinkt das Risiko für Atemwegserkrankungen erheblich.
Aber im Winter ist es zu trockene Luft, die Menschen zu schaffen macht, und im Sommer zu feuchte Luft. Da Menschen kein Sinnesorgan haben, das die relative Luftfeuchte direkt wahrnimmt, sind sie auf sekundäre Wahrnehmungen angewiesen, zum Beispiel trockene Schleimhäute (Winter), Schwitzen oder Schwüleempfinden (Sommer). Manche dieser Auswirkungen treten zeitversetzt auf, sodass Betroffene nicht immer den Zusammenhang mit der Luftfeuchtigkeit erkennen.
Physikalische Grundlagen
Die grundlegende Physik dazu ist recht einfach: Zu unterscheiden ist zwischen absoluter und relativer Luftfeuchtigkeit. Die absolute Luftfeuchtigkeit hängt unter anderem von der Temperatur ab. Sie wird in Gramm Wasser pro Kilogramm trockener Luft angegeben (g Wasser/kg tr. Luft). Weil kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme Luft, ist im Winter die absolute Luftfeuchtigkeit niedriger als im Sommer. Die relative Luftfeuchte gibt dagegen das prozentuale Verhältnis zwischen Luftvolumen und dem darin enthaltenen Wasserdampf an(% rel. F.). Sie sinkt, wenn kalte Außenluft in einen Raum gelangt und sich dort erwärmt. Die absolute Luftfeuchtigkeit bleibt dabei konstant. An kalten Wintertagen kann dadurch bei normalem Lüftungsverhalten eine relative Raumluftfeuchte von 40 % nicht ohne aktive Befeuchtung sichergestellt werden. Je niedriger die Außentemperatur und je höher die Temperatur im Raum ist, umso trockener wird die Luft in Räumen ohne Befeuchtung. 20 % rel. F. und weniger sind in der Praxis keine Seltenheit. Das ist nicht ohne Folgen für die Arbeitsfähigkeit.
Anzahl an Tagen von Arbeitsunfähigkeit
Die Bundesanstalt für Arbeits- schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt jährlich die Kosten bekannt, die sich aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ergeben. Dabei werden die in Tabelle 1 in der linken Spalte aufgezeigten Wirtschaftszweige berücksichtigt. Die mittlere Spalte enthält die Informationen zum prozentualen Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Atemwegserkrankungen in den jeweiligen Wirtschaftszweigen. Dieser Wert wird für die weiteren Betrachtungen als Folge von ungenügender Raumluftfeuchtigkeit angenommen. Die rechte Spalte enthält die Werte für den Ausfall der Bruttowertschöpfung eines Arbeitnehmers je Tag.
Tabelle 1: Übersicht über den Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Atemwegserkrankungen und den Ausfall an Bruttowertschöpfung für die verschiedenen Wirtschaftszweige im Jahr 2021 (Datenquelle BAuA) (alle Abb. und Tab. © FGK)
Tabelle 1 zeigt, dass der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage, die sich auf Atemwegserkrankungen zurückführen lassen, für die verschiedenen Wirtschaftszweige zwischen 8,7 und 11,7 % liegt. Der daraus folgende Ausfall an Bruttowertschöpfung bewegt sich zwischen 139 und 300 € pro Tag. Wie die BAuA ferner mitteilt, lag die durchschnittliche Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen 2021 bei 17 Tagen je Arbeitnehmer. Bezogen auf die Atemwegserkrankungen liegt der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage damit für die verschiedenen Wirtschaftszweige zwischen 1,5 und 2,0 Ausfalltagen. Die wenigsten Krankheitstage infolge von Atemwegserkrankungen haben demnach Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei - allesamt Bereiche, bei denen angenommen werden darf, dass die Betreffenden einen Großteil ihrer Arbeit im Freien verrichten. Angestellte von Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistern sowie im Grundstücks- und Wohnungswesen, die vornehmlich in Büros arbeiten, haben sich dagegen am zweithäufigsten krankgemeldet. Die Vermutung liegt nahe, dass die Raumluftqualität hierbei eine entscheidende Rolle spielt - insbesondere die relative Luftfeuchte. Zentrale RLT-Anlagen mit Be-und Entfeuchtungseinrichtungen könnten hier für Verbesserungen sorgen.
Berechnungsmodell Luftbefeuchtung
Um die Kosten entsprechender Anlagen den Verlusten an Bruttowertschöpfung durch krankheitsbedingte Fehltage gegenüberzustellen, wurden mit dem Klimaanlagensimulationsprogramm „AC-OPT"
(rlt-simulation.de), Energiebedarfsberechnungen für vier verschiedene Befeuchterarten durchgeführt.
Simuliert wurde beispielhaft eine RLT-Anlage mit einem Zu- und Abluftvolumenstrom von jeweils 10.800 m³/h für das Testreferenzjahr von Potsdam 2010 des Deutschen Wetterdienstes. Die Zuluft temperatur ist auf 18 °C festgelegt, die Raumtemperatur beträgt mindestens 22 °C und gleitet im Sommer bis auf 26 °C. Die inneren Feuchtelasten wurden in diesem Beispiel vernachlässigt. Wird ein Luftvolumenstrom von 30 m³/h Außenluft pro Person unterstellt, ist diese Anlage für eine Belegung mit 360 Personen dimensi-oniert. Bei einer durchschnittlichen Belegungsdichte von 12 m2 pro Person ist dieser Außenluftvolumenstrom ausreichend für etwa 4.300 m2 Nutzfläche. Die RLT-Anlage stellt die Versorgung der
Außenluftzufuhr sicher. Eine raumseitige Kühlung führt im Sommer zusätzliche thermische Raumlasten ab, den Heizbedarf im Winter deckt eine statische Heizung. Bei einer Betriebszeit von montags bis freitags jeweils von 6:00 bis 18:00 Uhr ergeben sich 3.132 Betriebsstunden im Jahr. Die Annahmen für die entsprechenden Energie- und Wasserpreise sind Tabelle 2 zu entnehmen.
In der Berechnung werden vier verschiedene Befeuchter berücksichtigt:
• Elektroden-Dampfluftbefeuchter
• Widerstand-Dampfluftbefeuchter
• gasbefeuchter Dampfluftbefeuchter
• adiabater Luftbefeuchter
Mit Dampfbefeuchtern können sehr hohe hygienische Anforderungen erfüllt werden, da das Wasser auf mindestens 100 °C erhitzt und verdampft wird. Beim Elektroden-Dampfbefeuchter wird mittels Wechselspannung ein Stromfluss zwischen zwei gegenüberliegenden Elektroden erzeugt. Beim Widerstands-Dampfluftbefeuchter wird das Wasser durch elektrische Heizwiderstände auf 100 °C erhitzt. Beim gasbefeuerten Dampfluftbefeuchter stellt ein gasbefeuerter Wärmeübertrager die notwendige Wärme bereit. Im Gegensatz zu diesen isothermen Befeuchtern wird beim adiabaten Luftbefeuchter das Befeuchtungswasser mittels Düsen in Luftrichtung zerstäubt. Die Verdunstung findet teilweise im Luftstrom selbst und gegebenenfalls anschließend in einem Nachverdunster oder Tropfenabscheider statt. In den drei zuletzt genannten Fällen wird mittels Umkehrosmose entsalztes Wasser bereitgestellt.
Die Berechnungen erfolgten für die Standorte Potsdam, München, Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen. Weiterhin wurde eine Feuchterückgewinnung mit einem Sorptionsrotor, der 70 % der latenten Wärme aus der Abluft auf die Zuluft überträgt, für den Standort Potsdam betrachtet.
Tabelle 2: Energie- und Wasserpreise
Gesamtkosten für einen Elektroden-Dampfbefeuchter
Tabelle 3 enthält beispielhaft die Berechnung der Gesamtkosten für den Einsatz eines ElektrodenDampfbefeuchters am Standort Potsdam. Bei den Investitionskosten wird davon ausgegangen, dass im Gebäude bereits eine RLT-Anlage installiert ist und lediglich die Befeuchterkomponente nachgerüstet wird. Für den Fall, dass eine RLT-Anlage neu installiert wird, berücksichtigt die Berechnung nur die Mehrkosten für die Luftbefeuchtung. Die letzte Zeile der Tabelle enthält die jährlichen Kosten für die Wartung und die Wasseraufbereitung, die sich gemäß Auslegung insgesamt für den Befeuchter ergeben. Bezogen auf einen Quadratmeter Nutzfläche des Arbeitsplatzes stehen Kosten von 5,7 € pro Jahr zu Buche.
Tabelle 3: Kosten für Energie und Wasser sowie Investition und Wartung eines Elektroden-Dampfbefeuchters. In Abhängigkeit der Wasseraufbereitung reichern sich bei der Verdunstung oder Verdampfung von Wasser im Luftstrom die im Wasser enthaltenen Mineralien an. Das mineralreiche Wasser muss abgeschlämmt werden. Für diesen Wasseranteil (Abschlämmfaktor) wurden Abwasserkosten angesetzt.
Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
Der Ausfall an Bruttowertschöpfung für die unterschiedlichen Wirtschaftszweige kann Tabelle 1 entnommen werden. Für den Wirtschaftszweig der Finanz-, Versicherungs- und Unternehmens-dienstleister sowie für das Grundstücks- und Wohnungswesen liegt er mit 300 € pro Tag am höchsten. Die folgenden Überlegungen werden auf diesen Zahlenwert bezogen.
Bei einer Bruttowertschöpfung je Arbeitsplatz von 300 € am Tag und einer Nutzfläche von 12 m2 pro Person und Arbeitsplatz ergibt sich eine flächenbezogene Bruttowertschöpfung von 25 € pro m2 Tag und diese 25 € je Tag und Quadratmeter sollen nun ins Verhältnis zu den Kosten des Elektrodendampfbefeuchters von 5,7 € je Quadratmeter und Jahr gesetzt werden. Wird davon ausgegangen, dass sich die 25 € auf einen Arbeitstag von acht Stunden beziehen, liefern die 5,7 € einen Wert von 1,83 h (etwa 110 min).
In Abbildung 1 sind Berechnungsergebnisse für die vier unterschiedlichen Befeuchterarten und die oben genannten Standorte aufgetragen. Zusätzlich sind darin die Ergebnisse für den Standort Potsdam unter Berücksichtigung einer Feuchterückgewinnung (FRG) von 70 % aufgetragen. Die längste Amortisations-zeit gegenüber dem Verlust an Bruttowertschöpfung durch Atemwegserkrankungen ergibt sich für den Widerstands-Dampfluftbefeuchter am Standort Garmisch-Partenkirchen mit einer dafür erforderlichen Arbeitszeit von 134 min (2,23 h). Als kürzeste Dauer wurden 82 min (1,37 h) ermittelt. Dieser Wert ergibt sich für den Elektroden-Dampfluftbefeuchter am Standort Potsdam unter Berücksichtigung von 70 % Feuchterückgewinnung.
Abbildung 1: Darstellung der Berechnungsergebnisse für die verschiedenen Befeuchterarten an den Standorten Potsdam, München, Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen sowie unter Berücksichtigung der Feuchterückgewinnung (FRG)
Fazit
Aus dem Verhältnis zwischen der Bruttowertschöpfung der Mitarbeitenden und den Kosten für die Befeuchtung kann unter den getroffenen Annahmen direkt abgeleitet werden, dass sich ein
Befeuchtungssystem bereits lohnt, wenn damit wenige Stunden an Arbeitsausfall vermieden werden.
Die Betrachtungen zeigen, dass der Ausfall an Bruttowertschöpfung nach etwa zwei Stunden Arbeitszeit bereits höher ist als die jährlichen Kosten für die Anschaffung und den Betrieb eines Befeuchtungssystem.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Claus Händel
Geschäftsführer Technik, FGK e.V.