Magazin Luftfeuchte 2024 Dezember 02

Autor:
Claus Händel

40 % Luftfeuchte rechnet sich


Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,

Merkmale, die für ein gutes Raumklima stehen sind Tempe­ratur, Luftfeuchte, -qualität und -bewegung sowie der Gehalt an Emissionen im Raum und die Luftwechselrate. Die meisten da­von sind sehr gut erforscht und fest in den Köpfen einer breiten Öffentlichkeit verankert. Davon bislang eher unterre-präsentiert ist die Bedeutung der relativen Luftfeuchte. Auch die einschlägi­gen Normen nennen hierzu keine allgemeingültigen Mindestwerte, sondern geben lediglich Empfeh­lungen, wenn ohnehin eine Be­feuchtung vorgesehen ist. Das darf durchaus überraschen. Denn in Deutschland arbeiten etwa siebzehn Millionen Menschen in Büros. Das Raumklima, das sie dort umgibt, ist von erheblicher Bedeutung für deren Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Wichtige Einflussfaktoren auf das Raum­klima sind sowohl die Raumtem­peratur als auch die relative Luft­feuchte (rel. F. in %), die eng mit­einander verknüpft sind. Bei 40 bis 60 % rel. F. enthält Raumluft ein Minimum an Bakterien, Viren, Pilzen und Milben (Quelle: RWTH Aachen). Dadurch sinkt das Risi­ko für Atemwegserkrankungen erheblich.

Aber im Winter ist es zu trocke­ne Luft, die Menschen zu schaf­fen macht, und im Sommer zu feuchte Luft. Da Menschen kein Sinnesorgan haben, das die relati­ve Luftfeuchte direkt wahrnimmt, sind sie auf sekundäre Wahrneh­mungen angewiesen, zum Bei­spiel trockene Schleimhäute (Winter), Schwitzen oder Schwü­leempfinden (Sommer). Manche dieser Auswirkungen treten zeit­versetzt auf, sodass Betroffe­ne nicht immer den Zusammen­hang mit der Luftfeuchtigkeit er­kennen.


Physikalische Grundlagen

Die grundlegende Physik dazu ist recht einfach: Zu unterscheiden ist zwischen absoluter und relati­ver Luftfeuchtigkeit. Die absolute Luftfeuchtigkeit hängt unter an­derem von der Temperatur ab. Sie wird in Gramm Wasser pro Kilo­gramm trockener Luft angegeben (g Wasser/kg tr. Luft). Weil kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufneh­men kann als warme Luft, ist im Winter die absolute Luftfeuch­tigkeit niedriger als im Sommer. Die relative Luftfeuchte gibt da­gegen das prozentuale Verhältnis zwischen Luftvolumen und dem darin enthaltenen Wasserdampf an(% rel. F.). Sie sinkt, wenn kalte Außenluft in einen Raum gelangt und sich dort erwärmt. Die abso­lute Luftfeuchtigkeit bleibt dabei konstant. An kalten Wintertagen kann da­durch bei normalem Lüftungs­verhalten eine relative Raumluft­feuchte von 40 % nicht ohne ak­tive Befeuchtung sichergestellt werden. Je niedriger die Außen­temperatur und je höher die Tem­peratur im Raum ist, umso trocke­ner wird die Luft in Räumen ohne Befeuchtung. 20 % rel. F. und we­niger sind in der Praxis keine Seltenheit. Das ist nicht ohne Folgen für die Arbeitsfähigkeit.


Anzahl an Tagen von Arbeitsunfähigkeit

Die Bundesanstalt für Arbeits- schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt jährlich die Kosten bekannt, die sich aufgrund von Arbeits­unfähigkeit ergeben. Dabei wer­den die in Tabelle 1 in der linken Spalte aufgezeigten Wirtschafts­zweige berücksichtigt. Die mitt­lere Spalte enthält die Informa­tionen zum prozentualen Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage auf­grund von Atemwegserkrankun­gen in den jeweiligen Wirtschafts­zweigen. Dieser Wert wird für die weiteren Betrachtungen als Fol­ge von ungenügender Raumluft­feuchtigkeit angenommen. Die rechte Spalte enthält die Werte für den Ausfall der Bruttowert­schöpfung eines Arbeitnehmers je Tag.



Tabelle 1: Übersicht über den Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Atemwegs­erkrankungen und den Ausfall an Bruttowertschöpfung für die verschiedenen Wirtschaftszweige im Jahr 2021 (Datenquelle BAuA) (alle Abb. und Tab. © FGK)


Tabelle 1 zeigt, dass der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage, die sich auf Atemwegserkrankungen zurückführen lassen, für die ver­schiedenen Wirtschaftszweige zwischen 8,7 und 11,7 % liegt. Der daraus folgende Ausfall an Brut­towertschöpfung bewegt sich zwischen 139 und 300 € pro Tag. Wie die BAuA ferner mitteilt, lag die durchschnittliche Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen 2021 bei 17 Tagen je Arbeitnehmer. Be­zogen auf die Atemwegserkran­kungen liegt der Anteil der Ar­beitsunfähigkeitstage damit für die verschiedenen Wirtschafts­zweige zwischen 1,5 und 2,0 Aus­falltagen. Die wenigsten Krank­heitstage infolge von Atemwegs­erkrankungen haben demnach Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fi­scherei - allesamt Bereiche, bei denen angenommen werden darf, dass die Betreffenden ei­nen Großteil ihrer Arbeit im Frei­en verrichten. Angestellte von Fi­nanz-, Versicherungs- und Unter­nehmensdienstleistern sowie im Grundstücks- und Wohnungswe­sen, die vornehmlich in Büros ar­beiten, haben sich dagegen am zweithäufigsten krankgemeldet. Die Vermutung liegt nahe, dass die Raumluftqualität hierbei eine entscheidende Rolle spielt - ins­besondere die relative Luftfeuch­te. Zentrale RLT-Anlagen mit Be-­und Entfeuchtungseinrichtungen könnten hier für Verbesserungen sorgen.


Berechnungsmodell Luftbefeuchtung

Um die Kosten entsprechender Anlagen den Verlusten an Brut­towertschöpfung durch krank­heitsbedingte Fehltage gegen­überzustellen, wurden mit dem Klimaanlagensimulationsprogramm „AC-OPT"
(rlt-simulation.de), Energiebedarfsberechnun­gen für vier verschiedene Be­feuchterarten durchgeführt.
Si­muliert wurde beispielhaft eine RLT-Anlage mit einem Zu- und Abluftvolumenstrom von jeweils 10.800 m³/h für das Testreferenzjahr von Potsdam 2010 des Deut­schen Wetterdienstes. Die Zuluft­ temperatur ist auf 18 °C festge­legt, die Raumtemperatur beträgt mindestens 22 °C und gleitet im Sommer bis auf 26 °C. Die inneren Feuchtelasten wurden in diesem Beispiel vernachlässigt. Wird ein Luftvolumenstrom von 30 m³/h Außenluft pro Person unterstellt, ist diese Anlage für eine Belegung mit 360 Personen dimensi-oniert. Bei einer durchschnittlichen Be­legungsdichte von 12 m2 pro Per­son ist dieser Außenluftvolu­menstrom ausreichend für etwa 4.300 m2 Nutzfläche. Die RLT-An­lage stellt die Versorgung der
Au­ßenluftzufuhr sicher. Eine raum­seitige Kühlung führt im Sommer zusätzliche thermische Raumlas­ten ab, den Heizbedarf im Win­ter deckt eine statische Heizung. Bei einer Betriebszeit von mon­tags bis freitags jeweils von 6:00 bis 18:00 Uhr ergeben sich 3.132 Betriebsstunden im Jahr. Die An­nahmen für die entsprechenden Energie- und Wasserpreise sind Tabelle 2 zu entnehmen. In der Berechnung werden vier verschiedene Befeuchter berück­sichtigt:

•   Elektroden-Dampfluftbefeuchter
•   Widerstand-Dampfluftbefeuchter
•   gasbefeuchter Dampfluftbefeuchter
•   adiabater Luftbefeuchter

Mit Dampfbefeuchtern können sehr hohe hygienische Anforde­rungen erfüllt werden, da das Wasser auf mindestens 100 °C erhitzt und verdampft wird. Beim Elektroden-Dampfbefeuchter wird mittels Wechselspannung ein Stromfluss zwischen zwei ge­genüberliegenden Elektroden er­zeugt. Beim Widerstands-Dampf­luftbefeuchter wird das Wasser durch elektrische Heizwiderstän­de auf 100 °C erhitzt. Beim gas­befeuerten Dampfluftbefeuchter stellt ein gasbefeuerter Wärme­übertrager die notwendige Wär­me bereit. Im Gegensatz zu die­sen isothermen Befeuchtern wird beim adiabaten Luftbefeuchter das Befeuchtungswasser mittels Düsen in Luftrichtung zerstäubt. Die Verdunstung findet teilweise im Luftstrom selbst und gegebe­nenfalls anschließend in einem Nachverdunster oder Tropfen­abscheider statt. In den drei zu­letzt genannten Fällen wird mit­tels Umkehrosmose entsalztes Wasser bereitgestellt. Die Berechnungen erfolgten für die Standorte Potsdam, München, Frankfurt und Garmisch-Parten­kirchen. Weiterhin wurde eine Feuchterückgewinnung mit einem Sorptionsrotor, der 70 % der laten­ten Wärme aus der Abluft auf die Zuluft überträgt, für den Standort Potsdam betrachtet.



Tabelle 2: Energie- und Wasserpreise


Gesamtkosten für einen Elektroden-­Dampfbefeuchter

Tabelle 3 enthält beispielhaft die Berechnung der Gesamtkosten für den Einsatz eines Elektroden­Dampfbefeuchters am Standort Potsdam. Bei den Investitions­kosten wird davon ausgegangen, dass im Gebäude bereits eine RLT-Anlage installiert ist und le­diglich die Befeuchterkomponen­te nachgerüstet wird. Für den Fall, dass eine RLT-Anlage neu instal­liert wird, berücksichtigt die Be­rechnung nur die Mehrkosten für die Luftbefeuchtung. Die letzte Zeile der Tabelle enthält die jähr­lichen Kosten für die Wartung und die Wasseraufbereitung, die sich gemäß Auslegung insgesamt für den Befeuchter ergeben. Be­zogen auf einen Quadratmeter Nutzfläche des Arbeitsplatzes stehen Kosten von 5,7 € pro Jahr zu Buche.



Tabelle 3: Kosten für Energie und Wasser sowie Investition und Wartung eines Elektroden-Dampfbefeuchters. In Abhängigkeit der Wasseraufbereitung reichern sich bei der Verdunstung oder Verdampfung von Wasser im Luftstrom die im Wasser enthaltenen Mineralien an. Das mineralreiche Wasser muss abgeschlämmt werden. Für diesen Wasseranteil (Abschlämmfaktor) wurden Abwasserkosten angesetzt.


Auswertung und Interpre­tation der Ergebnisse

Der Ausfall an Bruttowert­schöpfung für die unterschied­lichen Wirtschaftszweige kann Tabelle 1 entnommen werden. Für den Wirtschaftszweig der Fi­nanz-, Versicherungs- und Un­ternehmens-dienstleister sowie für das Grundstücks- und Woh­nungswesen liegt er mit 300 € pro Tag am höchsten. Die folgenden Überlegungen werden auf diesen Zahlenwert bezogen. Bei einer Bruttowertschöpfung je Arbeitsplatz von 300 € am Tag und einer Nutzfläche von 12 m2 pro Person und Arbeitsplatz er­gibt sich eine flächenbezogene Bruttowertschöpfung von 25 € pro m2 Tag und diese 25 € je Tag und Quadratmeter sollen nun ins Verhältnis zu den Kosten des Elek­trodendampfbefeuchters von 5,7 € je Quadratmeter und Jahr gesetzt werden. Wird davon aus­gegangen, dass sich die 25 € auf einen Arbeitstag von acht Stun­den beziehen, liefern die 5,7 € einen Wert von 1,83 h (etwa 110 min).

In Abbildung 1 sind Berech­nungsergebnisse für die vier un­terschiedlichen Befeuchterarten und die oben genannten Stand­orte aufgetragen. Zusätzlich sind darin die Ergebnisse für den Standort Potsdam unter Berück­sichtigung einer Feuchterückge­winnung (FRG) von 70 % aufge­tragen. Die längste Amortisations-zeit ge­genüber dem Verlust an Brutto­wertschöpfung durch Atemwegs­erkrankungen ergibt sich für den Widerstands-Dampfluftbefeuch­ter am Standort Garmisch-Par­tenkirchen mit einer dafür erfor­derlichen Arbeitszeit von 134 min (2,23 h). Als kürzeste Dauer wur­den 82 min (1,37 h) ermittelt. Die­ser Wert ergibt sich für den Elek­troden-Dampfluftbefeuchter am Standort Potsdam unter Berück­sichtigung von 70 % Feuchterück­gewinnung.



Abbildung 1: Darstellung der Berechnungsergebnisse für die verschiedenen Befeuchterarten an den Standorten Potsdam, München, Frankfurt und Garmisch-Partenkirchen sowie unter Berücksichtigung der Feuchterückgewinnung (FRG)


Fazit

Aus dem Verhältnis zwischen der Bruttowertschöpfung der Mitar­beitenden und den Kosten für die Befeuchtung kann unter den ge­troffenen Annahmen direkt ab­geleitet werden, dass sich ein
Be­feuchtungssystem bereits lohnt, wenn damit wenige Stunden an Arbeitsausfall vermieden wer­den.
Die Betrachtungen zeigen, dass der Ausfall an Bruttowert­schöpfung nach etwa zwei Stun­den Arbeitszeit bereits höher ist als die jährlichen Kosten für die Anschaffung und den Betrieb eines Befeuchtungssystem.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. Claus Händel
Geschäftsführer Technik, FGK e.V.
Planungsleitfaden Büro
ISBN-Nummer: 978-3981761849
Kosten: 12,95 Euro

Seiten: 42
Format: Din A5

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