Strategien entsprechend der VDI 6022 Blatt 1
Hygienische Luftbefeuchtung – Ein Kampf gegen den Biofilm
Eine Luftbefeuchtungsanlage soll die Luft befeuchten oder korrekter gesagt: die relative Luftfeuchtigkeit erhöhen. Dazu wird die Luft mit Wasser angereichert. Will man adiabatisch befeuchten, ist es zuerst einmal zweitrangig, ob das Wasser über Versprühen, Zerstäuben oder Verdunsten in die Luft gelangt. Hauptsache, das Wasser ist von hygienisch guter Qualität. Die VDI 6022 Blatt 1 schreibt deshalb: „Das in den Befeuchter eingespeiste Wasser muss die mikrobiologischen Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfüllen.“ Dabei ist ein entscheidender Aspekt, die Bildung von Biofilmen in den Leitungen zu verhindern.
Beschaffenheit von Befeuchtungswasser
Wer Trinkwasser zur Befeuchtung nutzt, liegt eigentlich auf der sicheren Seite. Allerdings sind Trinkwasser, Quellwasser oder Mineralwasser nicht keimfrei. Sie dürfen zwar keine krankheitserregenden Bakterien, Pilze, Viren oder Protozoen (Giardia) enthalten, aber maximal 100 Bakterien pro ml sind schon deutliches Leben. Werden diese Keime jetzt mit dem Wasser versprüht, sollte noch keine Gefahr für Leib und Leben bestehen. Wer aber das Leitungs-, Trink- oder Hahnenwasser direkt versprüht, kann nach einiger Zeit die Kalk- und Salzablagerungen im Kanalsystem nach Bergmannsart abbauen. Zudem bilden diese Ablagerungen in Nassbereichen außerordentlich gute Lebensbedingungen gerade für die mit dem Trinkwasser eingetragenen Mikroorganismen. Diese können sich dort ansiedeln und zu stattlichen Kolonien heranwachsen. Das Befeuchtungswasser muss also von seiner Kalk- oder Salzfracht befreit werden. Die dazu erforderlichen Aufbereitungsanlagen begünstigen jedoch häufig die Ansiedlung und Vermehrung von Mikroorganismen.
Biofilme als Gefährdungspotential
Bakterien in wasserführenden Systemen kommen in zwei Zuständen vor: frei im Wasser treibend oder fixiert in einem so genannten Biofilm. Eingebettet in schleimig, viskos-zähe extracelluläre polymere Substanzen (EPS) besetzen die Bewohner eines Biofilmes alle feuchten Oberflächen. In der Halbleitertechnik oder der Pharmaindustrie ist der erbitterte Kampf gegen Biofilme in den Reinstwassersystemen alltäglich. Der Biofilm etabliert sich in den Ionenaustauschereinheiten von Enthärtungs- oder Vollentsalzungsanlagen, kann die Module von Umkehrosmosen besiedeln und je nach Bauart sogar die Membranen durchdringen, um auch noch auf die Permeatseite zu gelangen. Anschließend besiedelt er die Wandungen der nachfolgenden Rohrleitungen und Zwischenspeicher. Bei atmosphärisch offenen Zwischen-speichern kann ein zusätzlicher Keimeintrag aus der Umgebungsluft die Biofilmbildung weiter fördern.
Trotz dieser unheimlichen Eroberung sind Biofilme in Wasser führenden Systemen zunächst nur schwer festzustellen. Erst wenn der Biofilm so stark angewachsen ist und er seine stationäre Phase erreicht hat, wächst er weiter, ohne voluminöser zu werden. In diesem Stadium gibt er genau so viele Keime ab, wie er durch Zellteilung neu produziert. Erst dann zeigt sich ein dramatischer Anstieg der Keimzahlen im Wasser. Eine Desinfektion des Wassers lässt Biofilme selbst meist unbehelligt und ist als wirksame Maßnahme zu ihrer Vermeidung nicht geeignet. Biofilmbröckchen (Bio-Envelopes), welche sich in der stationären Phase laufend ablösen, können sich anschließend an allen feuchten Stellen in einer Klimaanlage (z. B. Luftbefeuchter) ansiedeln. Überall dort, wo Feuchtigkeit, Nässe oder stehendes Wasser vorkommt und keine geeigneten Gegenmaßnahmen getroffen werden, bilden sich dann zwangsläufig neue Biofilme und die Keimvermehrung schreitet weiter fort.
Hygienische Luftbefeuchtung ist deshalb immer auch ein Kampf gegen Biofilme. Viele Forderungen der aktualisierten VDI 6022 Blatt 1 zielen in diese Richtung, selbst wenn der Begriff „Biofilm“ nicht fällt. Deshalb ist unter 3.6 zu lesen:„Werkstoffe in luftführenden Bereichen, in denen bestimmungsgemäß mit hohen relativen Feuchten bzw. mit Wasser zu rechnen ist, dürfen keinen Nährboden für Mikroorganismen darstellen.“ Und weiter: „Die Materialien, die Oberflächengestaltung und die geometrischen Formen der Anlagekomponenten sollen einer Anheftung und Ablagerung von Verunreinigungen vorbeugen.“ (VDI 6022,Blatt 1, 4.1.1) sowie „..., dass mikrobiologisches Wachstum auf Oberflächen luftführender Komponenten,..., und auf technologisch bedingt nassen Flächen weitgehend vermieden wird“ (VDI 6022 Blatt 1, 4.2).
Lebensbedingungen für Biofilme
Leider können Biofilme fast alle Oberflächen besiedeln. Unter welchen harten Umweltbedingungen Biofilme noch wachsen können, zeigt die Auflistung mit der Spannweite mikrobieller Existenz in Biofilmen gemäß Tabelle 1. Außerdem wurden Biofilme in Desinfektionsmittel-Leitungen nachgewiesen und vertrugen in anderen Fällen mehr als 2 mg/l freies Chlor.
Tabelle 1: Spannweite mikrobieller Existenz in Biofilmen |
Temperaturbereich |
von -12 ˚C bis 110 ˚C |
pH-Bereich |
von pH 1 bis > pH 13 |
Hydrostatischer Druck |
von > 0 bis > 1400 bar |
Redoxpotential |
Alle Bereiche der Radox-Stabilität des Wassers |
Salzgehalt |
0 bis zu gesättigten Lösungen in Salzseen |
Nährstoffe |
ab 10 μg Corg/L bis direkt auf Nährstoffquellen |
Oberflächenmaterialien |
Metalle (auch Kupfer), Beton, Kunststoffe, Glas,
Mineralien, mineralische und fette Öle, Kerosintröpchen,
pflanzliches und tierisches Gewebe,
Knochen u.v.a. |
Strahlenbelastung |
Gefunden wurden Biofilme auf Quarzschutzhüllen
von UV-Lampen, und sogar auf radioaktiven
Strahlungsquellen ( > 500 krad) |
Bekämpfung von Biofilmen
Etablierte Biofilme zu entfernen, ist ebenso langwierig wie ermüdend. Jeder von uns ist es gewohnt, gegen einen Biofilm anzukämpfen: gegen den Zahnbelag.
Laut VDI 6022 Blatt 1, 4.3.7 ist ein Anstieg der Keimzahl über den Grenzwert von 1000 KbE/ml, also das Zehnfache der maximalen Keimzahl von Trinkwasser durch geeignete Entkeimungsanlagen, in Kombination mit regelmäßiger Reinigung und Trockenfahren zu verhindern. Haben sich allerdings erst einmal Biofilme im wasserleitenden System etabliert, wird auch ein kurzzeitiges Trockenfahren gut überstanden. Die aufgequollene Biofilmmatrix hat große Mengen an Wasser eingebunden und trocknet deshalb nur sehr langsam und verzögert von der Oberfläche her auf. Viele Reinigungssysteme erreichen nur die obersten Schichten des Biofilmes.
Ein solider Biofilm kann nur mechanisch und dann mit relativ ruppigen Reinigungsverfahren entfernt werden. Geeignet, aber ein ziemlicher Aufwand in einer Luftbefeuchtungsanlage, ist das Wegätzen des Biofilmes mit Hydroxidlauge und eine anschließende saure Klarspülung. Gefühlsmäßig sanfter ist das enzymatische Knacken der EPS-Matrix, das Emulgieren der Trümmer mit leistungsfähigen Tensiden und die abschließende Desinfektion mit Wasserstoffperoxid. Wer die Personalbesetzung und Terminpläne der Haustechnik kennt, kann sich vorstellen, welche Begeisterung eine solche Reinigungsaktion auslöst.
Entstehung von Biofilmen verhindern
Entscheidend ist es, die Bildung von Biofilmen bereits im Ansatz zu verhindern. Biofilmverhinderung ist also der Schlüssel zu einer hygienischen Luftbefeuchtung. Biofilme im System zu verhindern, ist zurzeit nur mit wenigen Methoden gewährleistet. Leitungssysteme, die durchgehend unter UV-Bestrahlung sind, existieren heute noch nicht. Andere denkbare Systeme sind noch patent- oder nutzungsrechtlich blockiert und können deshalb leider nicht genutzt werden. Somit kann zurzeit nur auf Biofilmverhinderer (keimmindernde Substanzen) zurückgegriffen werden.
Die VDI 6022 Blatt 1, 4.3.7 erlaubt die Desinfektion des Befeuchter-Zu- und Umlaufwassers mit Verfahren, deren Wirksamkeit in Praxistests nachgewiesen wurde, die gesundheitlich unbedenklich sind und eine rückstandsfreie Zuluft sichern. Besonders der Wunsch nach Rückstandsfreiheit reduziert die Zahl möglicher Mittel und Verfahren drastisch.
Niemand möchte Biozide einatmen. Das verwendete Produkt muss gegen Biofilme oder deren Verursacher wirksam sein, und sollte sich bis zum Einatmen zersetzt oder wenigstens abgesetzt haben. Damit sind zur Zeit nur vier Wirkstoffe denkbar: Ozon, Wasserstoffperoxid, Chlordioxid und Silber.
Oxidativ wirkende Verfahren zur Keimminderung
Ozon und Wasserstoffperoxid reagiert mit Bakterien, organischem Material und oxidierbaren Luftverschmutzungen. Je nach Dosierung, Sauberkeit der Luft und der Oberflächen kann nicht immer sichergestellt werden, dass sich Ozon und Wasserstoffperoxid abreagiert haben oder abgebaut wurden, bevor die Luft in die klimatisierten Räume eingeleitet wird. Zumindest beim Einsatz von Ozon sind gewisse Restmengen in der Luft vertretbar. In der freien Natur (Gebirge, Wald, See) sind Konzentrationen von 20 bis 30 ppb Ozon üblich und werden als angenehm empfunden. Bei starker Sonneneinstrahlung können die Ozonwerte in der Außenluft auch hohe Werte annehmen und bei Personen zu gesundheitlichen Gefährdungen führen.
Ozonwarnungen während der Sommermonate sind uns allen leidlich bekannt. Die Konzentrationsobergrenze für Ozon in der Luft bei einer Einwirkzeit von max. 30 min liegt lt. VDI 2310 bei 60 ppb. Eine wirksame und trotzdem gesundheitlich unbedenkliche Konzentration setzt deshalb eine genaue Dosierung voraus. Auch die Wirksamkeit von Chlordioxid ist abhängig von der Dosierung und dem jeweiligen Verschmutzungszustand der Luft. Eine feinfühlige Dosierung ist auch hierbei unbedingt notwendig, um das Einatmen von Chlordioxid zu verhindern. Vorteilhaft beim Einsatz dieser Oxidationsmittel ist der Abbau von Luftverschmutzungen und damit ein gewisser Luftreinigungseffekt. Der Einsatz oxidativ wirkender Keimminderungsverfahren ist stark abhängig von einer sensiblen, belastungsabhängigen Mess-, Regel- und Dosiertechnik. Nur wenn diese Dosiertechnik zuverlässig arbeitet, ist der Einsatz von Ozon, Peroxid oder Chlordioxid praktizierbar.
Silber als antimikrobielle Substanz
Auch das Edelmetall Silber hat sehr gute keimmindernde Wirkung. Nicht als grobes Silberblech, Silbergranulat oder in Form von versilbert eingekaufter Keramik. Wirksam ist Silber als Ion oder als nanometergroßes Partikel, so genanntes Nanosilber. Silber, als antimikrobielle Substanz, zeichnet sich durch ein außerordentlich breites Wirkungsspektrum aus. Der momentane Boom mit silberbeschichteten Oberflächen hat seinen Ursprung in der Wiederentdeckung des Silbers und der Möglichkeit, reaktives Silber auf Oberflächen zu verankern. So gibt es Kühlschranke und Kühlzellen mit silberbeschichteten Oberflächen, Einlegesohlen, Funktionskleidung und im medizinischen Sektor Nano-Silber auf Verbandmaterial, in speziellen Wundgelen und auf Kathedern und Implantaten. Die Wirksamkeit des Silbers kommt nicht über eine oxidative Zerstörung von Zellmembranen, sondern durch das selektive Ausschalten von wichtigen Enzymsystemen. Silberionen binden an die Schwefelgruppen der Enzyme und inaktivieren sie. Bereits bei einem Drittel der für eine Inaktivierung no-wendigen Silber-Ionenkonzentration hören die Bakterien auf zu wachsen (Proliferationshemmung) und können keinen Biofilm mehr bilden. Damit ist das Ziel, die Biofilmbildung zu verhindern, erreicht.
Silber bzw. silberhaltige Präparate werden schon lange für die Wasserbehandlung verwendet. Silberpräparate desinfizieren das Trinkwasser auf Wanderungen und in Wohnmobilen, sind zur Konservierung von Trinkwasservorräten in Rettungsboten und Rettungsinseln erlaubt und in der Trinkwasserverordnung verankert.
Bei adiabaten Luftbefeuchtungssystemen, die mit gesilbertem Wasser arbeiten, binden die Silber-Ionen an die Zellwände und Zellmembranen der Keime und inaktivieren deren Transporter-Enzym-Systeme. Voraussetzung für eine einwandfreie Wirksamkeit ist eine exakte, dem Wasserdurchfluss bzw. der Befeuchtungsleistung angepasste Dosierung. Silber-Ionen können dazu mittels einer Elektrolyseeinheit direkt am Einsatzort (Luftbefeuchter) freigesetzt werden. Sie sind somit präzise und feinfühlig dosierbar und können mittels entsprechenden Abscheidungsflächen (z. B. Keramik) wieder aus der Luft und dem Wasser entfernt werden.
Mikroorganismen, welche ebenfalls auf diesen Keramikflächen auftreffen, werden dort weiterhin mit silberhaltigem Befeuchtungswasser beaufschlagt. Durch die stattfindende Verdunstung des Wassers reichert sich die Keramik zudem mit Silber an. Die Mikroorganismen werden dabei regelrecht in Silber eingegossen und inaktiviert. Bakterien die über den Luftstrom eingetragen werden, werden ebenfalls abgefangen und eliminiert.
Eine Biofilmbildung ist unter diesen Bedingungen nur schwer möglich. Durch die Ablagerung der Silberionen auf derartigen Keramikflächen wird in der befeuchteten Luft nur noch ein verschwindend geringer Anteil an Silber nachgewiesen. Damit ist dann auch die Forderung der VDI 6022 Blatt 1, 4.3.7 nach Rückstandsfreiheit der Zuluft erfüllt. Der Kampf gegen den Biofilm lohnt sich – ein Sieg ist möglich.