Magazin Luftfeuchte 2022 JUNI 02

Autor:
Dr. Stephanie Taylor

Mit optimaler Luftfeuchte
Krankenhaus-Infektionen senken


In den USA und in Europa sind Fehler in der stationären medizinischen Versorgung die sechsthäufigste Todesursache (1). Ein signifikanter Teil dieser erschreckenden Statistik sind Todesfälle aufgrund neuer Infektionen, sogenannter nosokomialer Infektionen oder therapieassoziierter Infektionen (Krankenhaus-Infektionen), die Patienten erst im Krankenhaus bekommen. Mindestens 10 % aller Patienten, die zur Behandlung eine stationäre Einrichtung betreten, entwickeln eine Krankenhaus-Infektion (2). Tragischerweise sterben allein in den USA jährlich mehr als 100.000 Menschen an diesen Infektionen. Welche Umweltfaktoren tragen zu dieser Situation bei und was können wir noch tun, um die Epidemie
zu kontrollieren?

Krankenhaus-Infektionen

Die heutigen Methoden der Infektionsbekämpfung in Krankenhäusern konzentrieren sich weitgehend
auf die Hand-, Instrumenten- und Oberflächenhygiene sowie auf Mund- und Gesichtsschutz. Diese Vorgehensweisen darauf zielen darauf ab, die Übertragung durch Kontakt und Verteilung von Sprühtröpfchen aus kurzer Distanz aufzuhalten. Sie stoppen jedoch nicht die feinen Tröpfchen in Aerosolgröße, die infektiöse Mikroorganismen über beachtliche Distanzen und längere Zeiträume an
die Luft abgeben können.




Epidemiologen sind sich einig, dass trotz der strengen Oberflächenhygienemaßnahmen zur Kontrolle der Krankenhaus-Infektionen die Zahl der verzeichneten Fälle in den letzten 20 Jahren um 36 % gestiegen ist und jedes Jahr weiterwächst. Im Freien ist das Ansteckungsrisiko für virale oder bakterielle Erkrankungen äußerst gering. Die Erreger werden in der unendlichen Luftmenge rasch verdünnt. Anders verhält es sich in geschlossenen Räumen. Dort sind wir einer beschränkten Zuluft ausgesetzt und teilen diese Atemluft miteinander. In Krankenhäusern herrscht in vielen Bereichen ein erhöhtes Risiko für eine sogenannte nosokomiale Infektion, also eine Ansteckung mit Keimen, die der Patient nicht mitbringt, sondern mit denen er erst im Krankenhaus in Kontakt kommt. Um diese Ansteckungsgefahr gering
zu halten, ist eine Behandlung der Raumluft erforderlich.


Aber warum ist das so?

Es ist interessant, dass sowohl eine trockene Raumluft das Überleben von Viren und Bakterien begünstigt, also wenn die relative Luftfeuchte unter 40 % fällt, als auch dann, wenn sie zu feucht ist (Werte über 60 %). Infektionen der Atemwege nehmen grundsätzlich bei trockener Luft zu. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die optimale relative Luftfeuchte für den Menschen in einem Bereich zwischen 40 und 60 % liegt. Die Raumluft muss so konditioniert sein, dass Erreger praktisch keine Überlebenschancen haben. Dafür maßgeblich sind die Temperatur und die Einstellung der relativen Feuchte auf Werte zwischen 40 und 60 %. Abhängig von der Jahreszeit muss angesaugte Außenluft
in einer Zentralklimaanlage dafür be- oder entfeuchtet werden. Wie funktioniert das?

Verkrustete Aerosol-Tröpfchen

Zu trockene Raumluft mit einem relativen Feuchteanteil von unter 40 % lässt die winzigen Tröpfchen, die mit Grippe- oder Erkältungsviren belastet sind, eintrocknen. Sie schrumpfen dann auf Größen bis 0,5 μm. Gleichzeitig erhöht sich deren Salzkonzentration so stark, dass sich in der trockenen Atmosphäre eine regelrechte Kruste um die Aerosole bildet. So wird die Überlebensfähigkeit der Keime im Inneren der Tröpfchen sowie die Schwebefähigkeit der Tröpfchen maximiert. Sie können bis zu 41 Stunden „überleben“. Wer also erkältet ist und in einem zu trockenen Raum hustet oder niest, erzeugt
eine Kontaminationsatmosphäre, die annähernd zwei Tage überdauern kann.

Je kleiner, desto tiefer

Wir kennen außerdem den Zusammenhang der Größe von Aerosolen – also kleinsten schwebefähigen Partikeln in der Luft – und ihrer Eindringtiefe in unseren Organismus mittlerweile sehr genau. In den Nasen- Rachen-Raum beispielsweise gelangen Aerosole in Größenordnungen von 10 bis 5 μm. Je kleiner sie sind, desto tiefer dringen sie ein. Aerosole, die bis in die kleinen Lungenbläschen gelangen können, sind nur noch 0,1 bis 1 μm groß (sogenannte Alveolen). In gut befeuchteten Räumen bleiben die Aerosol-Tröpfchen mit Durchmessern bis 100 μm vergleichsweise groß. Ihre Schwebefähigkeit ist damit stark eingeschränkt. Sie sinken langsam zu Boden und können dann nicht mehr eingeatmet werden.


Eindringtiefe von Aerosolen in die Atemwege


Einatembare Fraktion
10 - 5 µm Nasen-Rachenraum
5 - 3 µm Luftröhre

Thorale Fraktion
(Aerosole, die bis in die Bronchien gelangen)
3 - 2 µm Bronchien
2 - 1 µm Bronchiolen

Alveolengängige Fraktion
(Aerosole, die bis in die Lungenbläschen gelangen)
1 - 0,1 µm Alveolen (Lungenbläschen)


Korrelation zwischen der relativen
Luftfeuchte und Krankenhaus-Infektionen


Wissenschaftliche Literatur und Patientenerfahrungen machen deutlich, dass sich trotz der aktuellen Methoden der Infektionsbekämpfung mindestens 5 von jeweils 100 stationären Patienten eine neue Infektion oder eine Krankenhaus-Infektion zuziehen. Diese schweren und weitgehend vermeidbaren Krankenhaus-Infektionen, die die Heilung von Patienten und ihr Überleben in höchstem Maße
gefährden, töten weltweit mehr Menschen als AIDS, Brustkrebs und Autounfälle zusammen.

Der Chirurg und Experte zum Thema Patientensicherheit Dr. Atul Gawande bezeichnet die Opfer von Krankenhaus- Infektionen als „die 100.000 Leben, die wir am einfachsten retten können“, weil kein neues Heilmittel notwendig ist. Wir müssen uns fragen, ob es Einrichtungs-Managementstrategien gibt, die uns fehlen.

Kürzlich wurde eine Studie in einem neu erbauten Universitätskrankenhaus mit ca. 250 Betten in den USA durchgeführt. Über einen Zeitraum von 13 Monaten wurden in 10 Patientenzimmern stündlich Raumtemperatur, absolute und relative Luftfeuchtigkeit, Beleuchtungsstärke (Lux), Raumluftänderungen, Teile der Außenbelüftung und Kohlendioxidgehalt gemessen. Während des gleichen Zeitraums wurden elektronische Akten von Patienten, die diesen Zimmern zugewiesen waren, in Bezug auf das Vorhandensein von Krankenhaus-Infektionen analysiert. Beim Vergleich aller aufgezeichneten und mit Patienten-Ergebnissen korrelierten Umgebungsmessungen wurde festgestellt, dass die relative Luftfeuchtigkeit im Raum der entscheidende Faktor in Bezug auf die Krankenhaus-Infektions-Raten ist. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die relative Luftfeuchte im Patientenzimmer umgekehrt proportional zu den Krankenhaus-Infektionen war. Mit anderen Worten: Wenn die relative Luftfeuchte im Raum anstieg, sank die Rate der Krankenhaus-Infektionen bei Patienten.






Technische Umsetzung

Doch wie lässt sich das technisch umsetzen? In Krankenhäusern kommt unter allen verfügbaren technischen Lösungen zur Luftbefeuchtung nur die Luftbefeuchtung mit Dampf infrage. Elektrische Dampfluftbefeuchter erzeugen eine absolut keimfreie Raumluftfeuchte, da das verwendete Wasser auf Siedetemperatur erhitzt wird, dem kein Krankheitserreger standhält. Dafür kann vorhandenes, mineralfreies oder herkömmliches Leitungswasser verwendet werden. Ein weiterer Aspekt, der für die Luftbefeuchtung mit Dampf spricht, sind die in Krankenhäusern bereits vorhandenen Dampfverteilnetze, die zur Sterilisierung oder zu Reinigungszwecken benötigt werden. Dampfluftbefeuchter können in jede bestehende Zentralklimaanlage integriert oder in den meisten Fällen auch nachgerüstet werden. Sie sind gut zu reinigen und zu warten. Für die gleichmäßige Einbringung und Verteilung des Dampfs in den Luftstrom ist es besonders wichtig, die Befeuchtungsstrecke richtig auszuführen. Sie setzt sich zusammen aus der Nebelzone und der anschließenden Expansions- und Vermischungszone. Bei richtiger Bemessung sind Kondensationserscheinungen innerhalb der Luftleitungen ausgeschlossen. Außerdem erreichen dann keine Wasseraerosole den Filter.

Fazit

Eine konstante relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 % verhindert, dass Tröpfchen eintrocknen und eine Salzhülle bilden. Viren und Keimen wird damit die Überlebensgrundlage entzogen – sie sind innerhalb weniger Minuten inaktiv.

Quelle:
(1) Anderson R.N. 2005. Deaths: leading causes for 2002. National Vital Statistics Reports 53(17), 67‐70. (2) Classen D.C, Roger R, Griffin F, Federico F, Frankel T, Kimmel N, Whittington J.C, Frankel A, Seger A, James, B. 2011. ‘Global Trigger Tool’ Shows That Adverse Events In Hospitals May Be Ten Times Greater Than Previously Measured. Health Affairs, 30(4), 581–589.
Gesunde Luftfeuchte
Bedeutung der Luftfeuchtigkeit in Krankenhäusern
und dem medizinischen Bereich

Umfang: 24 Seiten
Format: DIN A4

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