Magazin Luftfeuchte 2022 APR 01

Autor:
Christian Bremer

DIN 16798 empfiehlt höhere Mindestraumluftfeuchte


Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

der im März 2022 erschienene Weißdruck des Nationalen Anhangs zur DIN EN 16798 Teil 1 „Eingangsparameter für das Innenraumklima“ ist in Deutschland die wichtigste technische Regel zur Projektierung eines gewünschten Raumklimas. Der Nationale Anhang enthält auch Empfehlungen zu Mindestwerten der Raumluftfeuchte, die besonders im trockenen Winter erforderlich sind, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Personen zu erhalten und zu fördern. Diese Vorgaben können nur durch den Betrieb von Systemen zur geregelten Luftbefeuchtung eingehalten werden.

Als Nachfolgerin der gleichnamigen DIN EN 15251 „Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“ zählen die DIN EN 16798 Teil 1 (April 2021) und der zugehörige Nationale Anhang (Weißdruck März 2022) zu den wichtigsten technischen Regeln in der Lüftungs- und Klimatechnik. Dazu enthält Teil 1 der DIN EN 16798 im normativen Teil und in vielen Tabellen im Anhang alle Parameter zur Projektierung und Sicherstellung „eines gewünschten Raumklimas in Räumen, die als Aufenthaltszone für Wohn- oder Arbeitszwecke genutzt werden (Büros, Sitzungsräume, Versammlungsstätten, Restaurants, Wohnräume etc.)“. Die Festlegungen betreffen Vorgaben zum thermischen Raumklima (Raumtemperatur, Raumluftfeuchte), zur Raumluftqualität (Mindestaußenluftvolumenströme, CO2-Grenzwerte in der Raumluft) sowie zur Beleuchtung und Raumakustik. Dazu wurden in der Norm neue Kategorien der Raumqualität IEQ (Indoor Environment Quality) mit den Klassen I (hoch), II (Standard) und III (moderat) eingeführt. Das bedeutet: Bauherr, Fachplaner und Architekt können sich für ihr Projekt bezüglich des gewünschten Raumklimas stets für eine Raumqualität IEQ I bis IEQ III entscheiden. Aus dieser Festlegung folgen dann zum Beispiel für die Standardqualität IEQ II einzuhaltende Raumtemperaturen von mindestens 20 °C (Winter) bis maximal 26 °C (Sommer) und Außenluftvolumenströme von etwa 50 m³/h pro Person bzw. eine maximale Konzentration von etwa 1.000 ppm CO2 in der Raumluft.


Die Bedeutung des Nationalen Anhangs

Allerdings sind die in vielen Tabellen in der DIN EN 16798 Teil 1 aufgeführten Werte zu den IEQ-Raumparametern lediglich Empfehlungen, die von den einzelnen Mitgliedsstaaten zu prüfen sind. Aus diesen Prüfungen folgt dann, mit Übernahmen oder ggf. mit Änderungen der empfohlenen Werte aus der Norm, ein Nationaler Anhang. Dieser wurde vom DIN NHRS (Normenausschuss Heiz- und Raumlufttechnik) erarbeitet. Er ist im März als Weißdruck DIN EN 16798-1/NA „Nationale Ergänzungen und Hinweise zur Anwendung der DIN EN 16798-1“ erschienen und enthält seitdem die speziell in Deutschland anzuwendenden Werte für die Raumparameter. Hierbei ist das DIN NHRS bei den Festlegungen zu den besonders im Winter wichtigen Mindestraumluftfeuchten den wissenschaftlichen Erkenntnissen und daraus folgenden Empfehlungen von Fachleuten gefolgt und hat im Nationalen Anhang die in der EN-Norm beschriebenen geringeren Werte deutlich angehoben.


Normen vernachlässigen Mindestfeuchte

Dass eine Raumluftfeuchte von mindestens 40 % die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Menschen schützt und fördert, wurde mittlerweile in zig weltweit durchgeführten medizinischen Untersuchungen und Studien nachgewiesen. Allerdings werden diese Erkenntnisse bisher in technischen Regeln sträflich vernachlässigt oder gar negiert. Nahezu gleichlautend behandeln Normen und Richtlinien einen möglichen Raum-Schwülezustand im Sommer und fordern dazu eine klare Obergrenze von maximal 65 % relativer Raumluftfeuchte bzw. eine absolute Feuchte von 12 g/kg. Demgegenüber findet man bisher in technischen Regeln bezüglich der Mindestraumluftfeuchte aber lediglich relativierende Aussagen wie: „Bei Gebäuden, die keinen anderen Anforderungen als denen der menschlichen Nutzung unterliegen (z. B. Büros, Schulen und Wohngebäude), ist eine Be- oder Entfeuchtung gewöhnlich nicht erforderlich...“ und „eine Be- und Entfeuchtung ist üblicherweise nur in besonderen Gebäuden, wie z.B. in Museen und einigen Gesundheitseinrichtungen, erforderlich“.

Zwar wird meist ergänzend erläutert, dass „bei Werten unter 30 % relativer Raumluftfeuchte gesundheitliche Beeinträchtigungen (z. B. trockene Schleimhäute) und störende, statische Aufladungen auftreten können“, aber normative Konsequenzen aus diesen bekannten Mängeln wurden bisher nicht gezogen. Lediglich die derzeit in Überarbeitung befindliche VDI 3804 „Raumlufttechnik - Bürogebäude“ enthält positive Aspekte: „Es wird empfohlen, als Untergrenze die Kategorie 1 der DIN EN 15251 (neu: DIN EN 16798-1) mit 30 % r. F. anzustreben. Hierzu ist in der Regel eine Befeuchtungseinrichtung erforderlich. Feuchten < 30 % r. F. können zu Reizungen der Augen und der Luftwege führen und damit Infektionskrankheiten begünstigen. Ferner können Probleme mit erhöhter statischer Aufladung entstehen. Bei tiefen Außentemperaturen ist eine Unterschreitung einer Raumluftfeuchte von 30 % zu erwarten.“


Das neue Behaglichkeitsdiagramm

Das in der Klimatechnik seit vielen Jahren etablierte Diagramm mit Vorgaben zu behaglichen und gesunden Raumluftfeuchten spiegelt die Forderungen nach einer Mindestraumluftfeuchte von etwa 35 bis 40 % in Abhängigkeit von der Raumtemperatur im Feld „behaglich“ durchaus wider. Doch diese Werte finden in der Normung und auch in der täglichen Praxis der Lüftungs- und Klimatechnik bislang noch zu wenig Beachtung und sollten konsequenter umgesetzt werden.

Schritt in diese Richtung geht die von vielen Unternehmen unterstützte Kampagne „Mindestfeuchte 40 %“ des Fachverbands Gebäude-Klima (FGK), siehe www.mindestfeuchte40.de mit vielen weiteren Informationen. In Anlehnung an diese Kampagne wurde vom Verfasser das in Abbildung 1 dargestellte bisherige Behaglichkeitsdiagramm im Hinblick auf die Mindestfeuchte 40 % leicht modifiziert.



Abbildung 1: Das blaue Feld zeigt einen Vorschlag für neue Grenzwerte im Behaglichkeitsdiagramm. Die Raumtemperatur reicht nun von 19 bis 26 °C (DIN EN 16798-1), die Raumluftfeuchte von 40 % (Minimum) bis 65 % (Maximum).


Raumluftfeuchte von 20 % bis 40 %
Leider enthält auch die neue DIN EN 16798 Teil 1 und der zugehörige Nationale Anhang weiterhin die Aussage, dass „bei Gebäuden, die keinen anderen Anforderungen als denen menschlicher Nutzung unterliegen [...], eine Be- oder Entfeuchtung gewöhnlich nicht erforderlich ist“. Als Ausnahmen werden zum Beispiel Museen, Gesundheitseinrichtungen und die Papierindustrie genannt. Für den Einsatz und zur Auslegung von Be- oder Entfeuchtungseinrichtungen werden die in der Tabelle NA. 10 angegebenen Auslegungswerte empfohlen.

Hierbei hat Deutschland im Nationalen Anhang, im Vergleich zur europäischen EN 16798 Teil 1, einen wichtigen Schritt vollzogen und die Werte für die Mindestfeuchten spürbar nach oben hin korrigiert (siehe Tabelle). Der Zusatz im Titel der Tabelle, „wenn Be- oder Entfeuchtungsanlagen eingebaut sind“, spiegelt wider, dass ohne deren Einsatz diese wichtigen Mindestparameter in den Kategorien IEQ I und II nicht einzuhalten sind.



Abbildung 2: Empfohlene relative Raumluftfeuchten für Winter (erster Wert) und Sommer (zweiter Wert) für die IEQ-Kategorien. Bei den IEQ-Klassen I und II wurden die Werte der Mindestluftfeuchte im nationalen Anhang im Vergleich zur europäischen Norm EN 16798-1 deutlich angehoben.


Konsequenzen für die Planung
Was folgt aus diesen Vorgaben des Nationalen Anhangs zur DIN EN 16798 Teil 1 für Planungen und Ausführungen von Lüftungs- und Klimaanlagen?

Wie aus dem Titel der Tabelle mit den Angaben zur Raumluftfeuchte folgt, sind diese Minimal- und Maximalwerte nur dann einzuhalten, wenn in der Lüftungs- oder Klimaanlage tatsächlich Systeme zur Be- und Entfeuchtung installiert sind. Grundsätzlich sind aber alle Parameter der IEQ, und dazu gehört auch die Raumluftfeuchtigkeit, im Rahmen des Planungsprozesses festzulegen und zu dokumentieren. Eine entsprechende Diskussion und Aufklärung der Kunden und Nutzer ist also erforderlich.

Wie wichtig die Luftbefeuchtung aber ist, soll an einem einfachen Beispiel erläutert werden. Es wird angenommen, dass an einem Wintertag die Außenluft eine Temperatur von -5 °C und eine relative Feuchte von 80 % hat (absolute Feuchte etwa 2 g/kg). Diese Außenluft wird in einem RLT-Gerät auf die gewünschte Zulufttemperatur erwärmt. Dabei bleibt die absolute Feuchte konstant, aber die relative Feuchte der Zuluft sinkt, je nach Einblastemperatur, bis unter 10 % r. F. Selbst wenn man berücksichtigten würde, dass durch die Feuchteabgabe der Personen im Raum die absolute Feuchte beispielsweise um 1,5 g/kg ansteigt, ergibt sich damit bei einer tatsächlichen Raumlufttemperatur von 23 °C eine Raumluftfeuchte von nur 20 %. Somit können ohne eine geregelte Befeuchtung der Außenluft im RLT-Gerät selbst die qualitativ geringsten empfohlenen Werte der DIN EN 16798 Teil 1 von 20 % r. F. im Raum kaum bzw. gerade noch eingehalten werden. Die Erreichung von IEQ II (Standardfall mit 30 % relativer Luftfeuchtigkeit) oder des besseren Wertes IEQ I (40 % r. F.) ist ohne Luftbefeuchtung jedoch ausgeschlossen.

Leider wurde mit der Erarbeitung des Nationalen Anhangs zur DIN EN 16798 Teil 1 erneut eine Chance verpasst, eine Mindestraumluftfeuchte normativ festzuschreiben.

Wenn Sie mehr über das Thema gesunde Luftfeuchte im Büro erfahren möchten, können Sie die Planungsbroschüre „Luftfeuchte am Arbeitsplatz“ über die nachfolgenden Links anfordern oder einen Beratungstermin mit unseren Vertriebs-Mitarbeitern vereinbaren.


Mit freundlichen Grüßen

Christian Bremer
Geschäftsführer der Condair GmbH
Planungsleitfaden
Luftfeuchte am Arbeitsplatz


ISBN-13: 978-3981761849
Umfang Seiten: 44
Format Din A5
Kosten: 12,95 Euro


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