Studie Niedrige Luftfeuchtigkeit und die Barrierefunktion des Körpers

Kurzzusammenfassung



Vorabinformation
Influenza-A-Viren (IAV) verursachen weltweit Infektionen, die jährlich zu einer halben Million Todesfällen führen. Diese Influenza-Ausbrüche treten in den Wintermonaten in gemäßigten Regionen auf. Sie erreichen ihren Höhepunkt zwischen November und März auf der Nordhalbkugel und zwischen Mai und September auf der Südhalbkugel. Beteiligt an diesen Epidemien sind Temperatur-Schwankungen, geringe Luftfeuchtigkeit, zu viele Personen in Innenräumen, Sonnenlichtmangel und damit verbundener Vitamin-D-Mangel.

Ergebnis
Die ausführliche Studie von Akiko Iwasaki et al. zeigt erneut*, dass eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit die Anfälligkeit für Influenza-Infektionen deutlich erhöht. (*Lipsitch et al. 2010, Studie über 30 Jahre)

Eine zu niedrige Luftfeuchtigkeit von 10 – 20% r. F. führt zu einer Reduktion des Selbstreinigungsmechanismus der Atemwege, zu einer Reduktion der Widerstandsfähigkeit gegen Viren und zur Reduktion der Funktionsfähigkeit der Gedächtniszellen des Immunsystems. Bei einer höheren relativen Luftfeuchtigkeit (50% r. F.) treten die Reduktionseffekte nicht auf.

Drei Immunbarrieren zum Schutz vor Infektionen
Den Schutz vor einer Virusinfektion sollen 3 Barrieren des Immunsystems ermöglichen. Die 1. Barriere besteht aus der Schleimschicht, der Flüssigkeitsschicht auf der Schleimschicht und den Cilien auf der Oberfläche. Diese ermöglichen die Immunabwehr der über die Atemwege eindringenden Krankheitserreger und Partikeln. Wenn das Virus diese erste Immunbarriere durchbricht, wird Interferon abgegeben, um Gene zu aktivieren, die die Viren bekämpfen bzw. blockieren. Wenn es dem Virus gelingt, auch diese angeborene 2. Abwehrstufe zu durchbrechen, wird als 3. Stufe das adaptive Immunsystem aktiviert, um virusspezifische T- und B-Zell-Immunantworten der Gedächtniszellen auszulösen.

Diese drei Barrieren werden wirkungslos bei Aufenthalt in einer zu niedrigen Luftfeuchtigkeit (10 – 20% r. F.). Die Influenza Erkrankung bricht aus. Die Krankheit verschlimmert sich bei 10-20% relativer Luftfeuchtigkeit unabhängig von der Viruslast. Zusätzlich wird die Reparaturfähigkeit des Zellgewebes gehemmt.

Die Influenza-Erkrankung zeigt bei 50% r. F. einen schwächeren Verlauf mit geringerem Fieber und kürzerer Dauer.




Studie von Dr. Akiko Iwasaki



Was beeinflusst die Luftfeuchte in unserem Immunsystem
Einfluss der Luftfeuchte auf die Intensität der Infektion

Infizierte Lungen­aveole bei einer
Luft­feuchte von 10 %
Infizierte Lungenaveole bei einer
Luft­feuchte von 50 %
Einfluss der Luftfeuchte auf die Reparatur-Aktivität beschädigter Zellen

Reparatur-Aktivität von infi­zierten Lungen­­aveolen bei einer Luft­feuchte von 10 %
Reparatur-Aktivität von infi­zierten Lunge­n­aveolen bei einer Luft­feuchte von 50 %
Reparatur-Aktivität von infi­zierten Lunge­n­aveolen bei einer Luft­feuchte von 10 %
Reparatur-Aktivität von infi­zierten Lungen­­aveolen bei einer Luft­feuchte von 50 %
2 Fragen an Dr. Akiko Iwasaki
Wie wirkt sich eine ausgeglichene Raumluftfeuchte auf Personen aus, die dem Grippevirus ausgesetzt sind?
Was sind die Schutzmechanismen einer ausgewogenen Luftbefeuchtung?

Wir haben seit Jahrzehnten erkannt, dass Grippewellen hauptsächlich im Winter auftreten, wenn Innenräume geheizt werden müssen. Mögliche Gründe, warum Menschen im Winter an der Grippe erkranken, wurden heftig diskutiert. Erklärungen für diese Saisonalität, die angeführt werden, sind unter anderem die Exposition gegenüber kalten Temperaturen, niedriger Luftfeuchtigkeit in Innenräumen oder auch im Freien, Menschenansammlungen in Innenräumen mit erhöhter Kontakt- oder Tröpfchenübertragung und eine Abnahme des Vitamin D-Spiegels im gesunden Blut aufgrund geringerer Sonneneinstrahlung.

Es ist nicht nur theoretisch interessant, die Ursachen der saisonalen Grippe zu verstehen und daher zu wissen, welche Massnahmen zur Verringerung der damit verbundenen Erkrankungs- und Sterbewahrscheinlichkeit ergriffen werden können. Das Thema ist von enormer Bedeutung, da saisonale Grippeinfektionen weiterhin zunehmen und weltweit jährlich mindestens eine halbe Million Todesfälle verursachen. Die Bereitstellung einer ausgeglichenen Luftfeuchte ist eine Schutzmassnahme, welche die Impfung unterstützt und bei der Millionen von Menschenleben gerettet werden könnten.

Es wurde in dieser Studie aufgezeigt, dass trockene Innenluft die Grippeauswirkungen verstärkt. Es wurde auch nachgewiesen, dass eine Regelung der relativen Luftfeuchte zwischen 40 und 60 Prozent eine virale Infektion minimiert und den Übertragungsprozess erschwert. Dies ist die erste Studie, die die physiologischen Mechanismen hinter den positiven Resultaten aufzeigt, welche durch eine ausgewogene Luftbefeuchtung erzielt werden.

Kommentar von
Dr. med. Walter J. Hugentobler


Diese bahnbrechende Forschung verwendete gentechnisch veränderte Mäuse mit ähnlichen Immunantworten wie Menschen. Das macht diese Tiere zu einem idealen Infektions-Modell. Dr. Iwasaki zeigt, dass eine ausgewogene Befeuchtung unsere Immunabwehr verbessert, was unsere Anfälligkeit gegen verschiedenste Infektionen, nicht nur gegen die Grippe, vermindert.

Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, die relative Luftfeuchtigkeit in Innenräumen in Haushalten, Schulen, Büros, Krankenhäusern, Flugzeugen auf 40–60% zu halten. ASHRAE sollte diese hervorragende Studie zum Anlass nehmen, ein Mindestniveau der Luftfeuchtigkeit von 40% in bewohnten Räumen zu fordern.


Quellen


Originaltitel: Low ambient humidity impairs barrier function and innate resistance against influenza infection

Quellenlink: www.pnas.org/content/early/2019/05/07/1902840116

Veröffentlicht: 13.05.2019




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